Eine neue Studie des Fraunhofer IEG beleuchtet die Wasserstoffversorgung und untersucht sämtliche Transportmöglichkeiten für Wasserstoff und seine Derivate. Die Autoren schlussfolgern, dass selbst kleine Verbraucher ohne den Einsatz von Pipelines ausreichend mit Wasserstoff versorgt werden könnten.
Die Analyse hat 543 Nachfragestandorte in Deutschland den verschiedenen Anwendungsfällen zugeordnet und hinsichtlich ihrer Versorgungsmöglichkeiten mit Wasserstoff und seinen Derivaten untersucht. Anwendungen sind die Herstellung von Ammoniak, Stahl, petrochemischen Basischemikalien und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen sowie die Bereitstellung von Prozesswärme in der Metallerzeugung und -bearbeitung, der Herstellung von Glas und Keramik sowie der Papierindustrie. Aus einer Szenarioanalyse leitet die Studie dann eine branchen- und regionenspezifische Wasserstoffnachfrage ab.
„Die derzeitige Diskussion um den Anschluss an das künftige Pipeline-Netz greift zu kurz”, erklären Christoph Nolden und Thorsten Spillmann vom Fraunhofer IEG, die Erstautoren der Studie. Andere Infrastrukturen wie das Schienennetz oder Wasserstraßen könnten gerade in der Hochlaufphase für zahlreiche Standorte eine Alternative darstellen.
Wasserstoff-Kernnetz im Jahr 2035 als Voraussetzung
Bei der Ermittlung der standortspezifischen Versorgungsoptionen gebe es zwei Hauptaspekte:
- Welches Wasserstoffprodukt wird für die Anwendung benötigt: gasförmiger oder flüssiger Wasserstoff, Ammoniak, Methanol oder und Fischer-Tropsch-Produkte?
- Durch welche Infrastruktur ist der Standort erreichbar: Binnenschifffahrtsstraßen, Schienennetz, Wasserstoffkernnetz oder Produktpipelines?
Die Studie analysiert unterschiedliche Verkehrsträger, die Wasserstoffderivate zum industriellen Endverbraucher liefern können. Dabei geht sie davon aus, dass im Jahre 2035 das geplante Wasserstoff-Kernnetz installiert ist. Im Vordergrund stehen drei Fragen:
- Wann ist der Transport von Wasserstoffderivaten jenseits des Wasserstoff-Kernnetz sinnvoll?
- Was folgt daraus für die nationale Importstrategie?
- Wo gilt es, die bestehende Transportinfrastrukturen zu stärken?
Transport via Schiff
Schon heute seien Binnenschiffe eine etablierte Transportoption für Stoffe wie Ammoniak, Methanol oder flüssige Kraftstoffe. Der Großteil der betrachteten Standorte weise Wasserstoffbedarfe auf, die über einen großen Güterzug transportierbar wären. Da der Inlandstransport nur einen Teil der gesamten Versorgungskette ausmacht, führen die unterschiedlichen Transportoptionen nur zu geringen Differenzen in den Gesamtkosten.
Daher schlägt die Studie parallel zum Ausbau des geplanten Wasserstoff-Kernnetzes unter anderem folgende Maßnahmen vor:
- Ausbau des Schienennetzes, da der Wegfall des Transportes von fossilen Energieträgern durch Wasserstoff-Derivate überkompensiert wird.
- Die baldige Veröffentlichung einer differenzierten Wasserstoff-Importstrategie, die einen klaren Rahmen schafft für die Bezugsmöglichkeiten und Verwendung von importiertem Wasserstoff in seinen verschiedenen Formen etwa als Ammoniak, Methanol oder andere Basischemikalien.
- Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Energieträgern und internationale Standards.
- Eine kontinuierliche integrierte Planung und Adaption der Transportinfrastrukturen für Wasserstoff und andere Stoffe, wie beispielsweise CO₂.
„Insbesondere für Standorte, die nicht Wasserstoff, sondern dessen Folgeprodukte verarbeiten, ist deren direkter Bezug unter Umständen kostengünstiger”, ergänzen die Studienautoren.