Das Marktforschungsinstitut Verian hat eine Umfrage unter 200 deutschen Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Maschinenbau, Konsumgüter und Handel durchgeführt. Telefonisch wurden die Unternehmen zu aktuellen wirtschaftlichen Perspektiven sowie zu Themen wie Restrukturierung, Insolvenzgefahren, Refinanzierungen und weiteren strukturellen Herausforderungen befragt.
Die Umsätze der teilnehmenden Firmen liegen jeweils bei mindestens 50 Millionen Euro, wobei etwa ein Viertel von ihnen Jahresumsätze von über 500 Millionen Euro erzielt. 26 Prozent der Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau befinden sich derzeit in einer Phase der Restrukturierung und weitere 24 Prozent planen solche Maßnahmen in der nahen bis mittleren Zukunft. Viele der zur Restrukturierung entschlossenen Unternehmen streben dabei tiefgreifende Veränderungen an. Insgesamt 58 Prozent der Befragten beabsichtigen, ihre Geschäftsstrategien grundlegend neu zu gestalten.
Zusätzlich planen jeweils 42 Prozent der Unternehmen, Standorte zu verlagern und Personal zu reduzieren, während ein Viertel den Abbau von Produktions- und Leistungskapazitäten vorhat. Diese Daten stammen aus einer Erhebung, die Verian im Auftrag der Beratungsfirma FTI-Andersch durchführte. 43 Prozent der Teilnehmer rechnen mit erheblichen Umsatzverlusten durch Kundeninsolvenzen, und bis zum Jahr 2030 erwarten 28 Prozent der Befragten einen Personalrückgang von mehr als 20 Prozent. Auch die Bewertungen der Standortfaktoren fallen überwiegend negativ aus.
Erste Unternehmen bauen Personal ab
Unter den Unternehmen, die bereits mit der Restrukturierung gestartet sind, haben 31 Prozent schon Personalreduzierungen vorgenommen und 23 Prozent ihre Produktionskapazitäten gesenkt. Lediglich acht Prozent haben bislang mit der Verlagerung von Standorten begonnen. Zudem sehen 70 Prozent der Befragten geopolitische Instabilitäten als die größte Herausforderung ihrer Branche an. Im Branchenvergleich – einschließlich Automobilindustrie, Maschinenbau und Konsumgüter – wird die geopolitische Instabilität allerdings insgesamt nur als sechstgrößte Herausforderung eingestuft.
„Diese Daten zeigen nicht nur die Stimmung auf, sondern belegen, welche konkreten Pläne die befragten Unternehmen verfolgen und wo sie bereits handeln“, sagt Karsten Schulze, Vorstand bei FTI-Andersch, der auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierten Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland. „Sie unterstreichen die deutlich gesunkene Attraktivität des Standorts Deutschland und zeigen zugleich auf, dass das bisherige Export-orientierte Wirtschaftsmodell an seine Grenzen gestoßen ist. Zwar sind es nach wie vor Minderheiten, die Stellen streichen, Verlagerungen planen und Kapazitäten aus dem Markt nehmen. Diese Minderheiten sind aber so signifikant groß, dass sie erhebliche Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft und ihre darin tätigen Akteure haben werden.“
Deutschland drohen zahlreiche Insolvenzen
Von den befragten Unternehmen beobachten 40 Prozent eine deutliche Zunahme von Insolvenzen in ihrer Branche, während 14 Prozent sogar eine Welle an Insolvenzen erwarten. In Vorbereitung darauf richten sich 43 Prozent der Unternehmen auf Umsatzeinbußen durch insolvente Kunden ein und 29 Prozent gehen davon aus, dass ihre Lieferketten beeinträchtigt werden könnten. Vor diesem Hintergrund planen 80 Prozent der Maschinen- und Anlagenbauer, neue Märkte zu erschließen, und 58 Prozent beabsichtigen, ihre Kundenbasis über die aktuellen Zielbranchen hinaus zu erweitern.
„Wäre die geopolitische Lage nicht so unsicher, hätten voraussichtlich bereits mehr Maschinen- und Anlagenbauer mit den Verlagerungen begonnen“, sagt Schulze. „Viele haben jedoch vor Augen, dass die Lage komplex sein könnte und sie trotzdem handeln müssen. Ist einmal die Entscheidung zur konkreten Planung von Verlagerungen getroffen, haben diese eine hohe Chance auf Umsetzung. Und sobald die Verlagerung erfolgt ist, werden die jeweiligen Kapazitäten auf Jahre nicht wieder zurückkommen, da sich diese Investitionen zunächst einmal amortisieren müssen. Es ist zudem fraglich, ob die Attraktivität des Standorts in einigen Jahren wieder besser ist.“