Die Reaktorkatastrophe in Japan und die Folgen für die Armaturenbranche. Nuklearmarkt bleibt wichtig für Ventilhersteller, doch die Qualitätsansprüche steigen weiter
Am 11. März 2011 hielt die Welt den Atem an. An jenem Tag verwüsteten ein Erdbeben der Stärke 9,0 auf der Richterskala und eine Tsunamiwelle von 23 Metern Höhe Städte und Dörfer entlang eines rund 240 Kilometer langen Küstenstreifens im Nordosten Japans. Die Welt trauert mit dem Inselstaat. Und sie wird sich verändern – denn die Havarie des Atomkraftwerks Fukushima stellt die Nuklear-Renaissance der vergangenen Jahre zumindest wieder in Frage. Zwar ist mit einer konsequenten globalen Abkehr von der Reaktortechnik nicht zu rechnen, doch die Armaturenbranche muss sich auf noch höhere Sicherheits- und Qualitätsansprüche einstellen. Außerdem nehmen Komponenten für die erneuerbaren Energien in den Auftragsbüchern der Unternehmen künftig eine deutlich größere Rolle ein.
Armaturenbranche zeigt Solidarität
Bis zu 25.000 Menschen starben bei der Naturkatastrophe. Fast eine halbe Million Japaner verloren ihr Zuhause und leben in Notunterkünften. Auf rund 310 Milliarden US-Dollar schätzt die japanische Regierung die Kosten der tragischen Ereignisse. Natürlich ist auch die Anteilnahme der Armaturenbranche groß. Betroffen zeigte sich zum Beispiel EBRO Armaturen. „Das ist eine ganz große Katastrophe für Japan“, erklärt EBRO-Vertriebsleiter Dirk Meierlücke. Der deutsche Armaturen- und Pumpenhersteller KSB initiierte eine Spendenaktion – ein Ausdruck der Solidarität, aber auch der tiefen Verbundenheit mit dem asiatischen Inselstaat. „Die Menschen in Japan brauchen unsere Unterstützung“, erklärt das Unternehmen aus Frankenthal.
Die besondere Verbundenheit kommt nicht von ungefähr: Die KSB unterhält seit 1990 eine Vertriebsgesellschaft mit sechs Mitarbeitern in Tokio und beschäftigt zehn Mitarbeiter im südöstlichen Osaka. Das Unternehmen stellt hauptsächlich Produkte für die Industrie und den Marinesektor Japans her. Für die Mitarbeiter des Konzerns endete die Katastrophe glimpflich – Opfer waren nicht zu beklagen. Das gleiche gilt für die Beschäftigten des japanischen Armaturenhersteller Kitz in seinen Produktionsanlagen in Nagasaka und Ina.
Geringes Defizit beim Stahlmarkt
Erschüttert zeigte sich auch der US-Produzent von Fluidsystemprodukten, Swagelok. „Wir stehen bereit, unseren Kunden in Japan unsere volle Unterstützung anzubieten“, sagt President und CEO Arthur F. Anton. Das Unternehmen sei dankbar, dass keiner ihrer mehr als 350 Mitarbeiter in Japan vermisst oder ernsthaft verletzt worden sei. „Die meisten Standorte erlitten keine größeren Schäden.“ Mit dem Beginn der Reparaturen an Japans Infrastruktur werde die Nachfrage nach Swagelok-Produkten sehr wahrscheinlich steigen. „Die Lieferung von Komponenten, Bauteilen und Dienstleistungen, die unsere Kunden brauchen, besitzt unsere höchste Priorität.“ Die Armaturen-Community beweist weltweit ihre Solidarität.
Aber selbst wenn noch längst nicht jede Produktionsanlage durch die Naturgewalt beschädigt wurde, erlebt die japanische Wirtschaftsleistung einen Einbruch. Die Kosten für den Wiederaufbau und der Energieengpass belasten die ohnehin schwächelnde Volkswirtschaft. Hinzu kommen Lieferprobleme bei Japans Export, die ebenfalls benachbarte Staaten im südostasiatischen Raum zu spüren bekommen.
Global gesehen bleibt der Einbruch der japanischen Ökonomie aber eher marginal. Und das betrifft auch den für die Armaturenhersteller wichtigen Stahlmarkt. „Aktuell rechnen wir mit einem Ausfall von 11,5 Millionen Tonnen Stahl aus japanischer Erzeugung“, erklärt Benedikt Niemeyer, CEO der deutschen Schmolz + Bickenbach AG. Bei einem weltweiten Produktionsvolumen von rund 1,2 Milliarden Tonnen „ist dieses Defizit aus wirtschaftlicher Sicht eher zu vernachlässigen.“ Dramatische Auswirkungen auf die internationalen Rohstoffpreise erwartet das Unternehmen nicht.
Sicherheit künftig noch größer geschrieben
Und doch hat die Reaktorkatastrophe von Fukushima weltweite Folgen, die vor allem die Energiewirtschaft zu spüren bekommt. So erwartet Schmolz + Bickenbach einen größeren Bedarf an Spezialstählen im Energiesektor. „Es wird eine deutliche Erhöhung der internationalen Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerken prognostiziert“, so Niemeyer weiter. Bei Nachrüstungen und Neubauten kämen heute vermehrt geschmiedete und damit widerstandsfähigere Stähle zum Einsatz, wo zuvor gegossener Stahl genutzt wurde.
Die Energiewirtschaft wird durch Regierungen neu auf ihre Sicherheit und Zukunftsträchtigkeit hin abgeklopft. Für die Armaturen-, Antriebs- und Dichtungsbranche hat das Konsequenzen, da zahlreiche Hersteller Atomreaktoren weltweit mit Sicherheits-, Absperr- und Regelventilen beliefern.
Ventile sind wichtige Bauteile in einem Reaktor. Wenn es um dessen Sicherheit geht, spielen sie eine Hauptrolle. Das zeigte auch die Nuklearkatastrophe von Fukushima 1. Für die Anlage wurde ein Ventilsystem entwickelt, das es ermöglicht, radioaktiven Wasserdampf in die Atmosphäre zu entlassen. In dem japanischen Reaktor versagte allerdings das Ventilsystem, als Wasserstoffexplosionen die Außenwände von drei Sicherheitsbehältern zerstörten.
Falsch ausgelegte Ventile
Ein wunder Punkt von Fukushima 1 soll das Notkühlsystem gewesen sein. Das erklärte Masashi Goto, ein Ingenieur, der neben anderen zuständig war für das Design des Sicherheitsbehälters. Das Notkühlsystem sei nicht als Sicherungssystem konzipiert gewesen. Ventile und Rohre waren nicht auf den erhöhten Druck bei einem Unfall ausgelegt, so Goto. Hierdurch entwich bereits zu Beginn des Unglücks Radioaktivität. Sollte sich das nach eingehender Prüfung bewahrheiten, dann lag ein Planungsfehler vor. Mit Ventilen, die auch auf solche Katastrophen ausgelegt sind, würde die Sicherheit zumindest deutlich erhöht.
Der Sicherheitsaspekt nahm bereits in der Vergangenheit eine herausragende Stellung ein. „Der Atomenergiemarkt ist einer der am stärksten regulierten Industriezweige“, weiß der US-amerikanische Armaturenproduzent Swagelok. Zulieferer müssten ständig Nuklearnormen, Kundenanforderungen und regionale Vorschriften interpretieren. Auf ein Kilogramm Armatur kommen fünf Kilogramm Dokumentation – klagen manche Unternehmen mit einem gewissen Galgenhumor…
Vermutlich fällt der Ordner mit Normen, Vorschriften und Zertifikaten aber künftig noch dicker aus. Denn mehr noch als früher wird gelten: Nur wer die qualitativ besten Armaturen bietet, bleibt im Geschäft erfolgreich.
Auf dem Prüfstand, aber nicht bezweifelt
Produkte für Nuklearreaktoren kommen auf den Prüfstand, aber auch die Atomindustrie allgemein muss sich derzeit Fragen nach ihrer grundsätzlichen Sicherheit und damit ihrer Zukunftsfähigkeit gefallen lassen. Nicht nur, weil mancher Reaktor in der Welt dem havarierten in Japan ähnelt. Sind Atomkraftwerke überhaupt durch den Menschen und mit Blick auf Naturkatastrophen und Terrorangriffe handelbar? Auf diese Fragen geben die Regierungen weltweit unterschiedliche Antworten. Von ihnen hängt wiederum die Zukunft der Nuklearanlagen ab. Die Armaturenbranche wird die Entwicklung genau beobachten, verknüpft sie ihr Produktportfolio doch eng mit dem künftigen Energiemix.
„Sicherheit überprüfen ja, aber nicht aussteigen aus der Nukleartechnologie“, lautet die Philosophie der meisten europäischen Staaten. Die EU fordert für alle Anlagen Stresstests.
Finnland zum Beispiel lässt seine Notfallpläne für Atomkraftwerke überprüfen. Auch Russland will seine „Schlüsse daraus ziehen, was in Japan passiert“, erklärt Regierungschef Wladimir Putin. Dennoch hält das Land an der Atomkraft grundsätzlich fest, baut weitere eigene Reaktoren und exportiert seine entsprechende Technologie. Frankreich mit den meisten Reaktoren in Europa, Polen und Tschechien bekräftigten ebenfalls ihr klares „Ja“.
Große Skepsis im deutschsprachigen Raum
Vor allem im deutschsprachigen Raum ist die Skepsis dagegen deutlich gestiegen. Ältere deutsche Meiler wurden bereits abgeschaltet und die vor zwei Jahren beschlossene Verlängerung der Laufzeiten steht unter Druck: Der Heimatmarkt droht großen Energieanbietern wie RWE und Evonik wegzubrechen.
Die Schweiz setzte Pläne zur Bewilligung neuer Atomkraftwerke vorerst aus. Die Atomaufsicht des Landes solle, so Umweltministerin Doris Leuthard, „neue oder schärfere Sicherheitsstandards ableiten“. Österreich hatte schon vor der Havarie beschlossen, keine Kernkraftwerke zu bauen.
Eine Abkehr von der Kernenergie gibt es weltweit allerdings nicht. Stimmen, einige Anlagen im eigenen Land zu überprüfen, werden in den USA laut, wo zwar seit über 20 Jahren kein Atomkraftwerk mehr genehmigt wurde, sich aber über 100 Nuklearmeiler befinden. Von Abschaltungen ist aber nicht die Rede. Weiter stark auf die Nukleartechnologie setzen aufstrebende Staaten wie China und Indien. China betreibt bereits 13 Atomreaktoren mit einer Kapazität von 10,8 Gigawatt. Bis 2020 soll die Gesamtleistung verachtfacht werden. Die Renaissance der Atomkraft in den vergangenen Jahren endet nicht mit der Fukushima-Katastrophe, auch wenn sie etwas an Fahrt verliert, lautet das Fazit.
Fakt ist: Weltweit sind über 440 Nuklearanlagen am Netz, die rund 14 Prozent des globalen Stromverbrauchs abdecken – damit ist die Atomkraftmarkt ohne Zweifel wichtig für die Armaturenhersteller.
Ventilhersteller international aufgestellt
Für die Armaturenproduzenten gibt es Entwarnung: Große Erschütterungen sind mit Blick auf den weltweiten Kurs pro Atomkraft also nicht zu erwarten. Selbst deutsche Ventilproduzenten, die für den heimischen Markt trotz des schon längeren Baustopps für Reaktoren bisher Ersatzteile und Instandhaltungsservice lieferten, bringt die mittlerweile deutlich skeptischere Sicht deutscher Politiker nach der Japan-Katastrophe nicht um den Schlaf: Viele sind bereits international aufgestellt. Siempelkamp aus Krefeld versorgt beispielsweise Kernkraftwerke in aller Welt mit seinen Sicherheitsventilen. Bei der KSB ist das nicht anders.
In den vergangenen Jahren basierte der Boom der Atomkraft vor allem auf dem wachsenden weltweiten Energiebedarf, auf der Effizienz der Reaktoren und auf umweltfreundlichen bzw. geringen CO2-Werten. Die Skepsis im deutschsprachigen Raum verschafft Energiequellen wie der Stein- und Braunkohle wieder Auftrieb. Das vermutet Mike Blasberg, Bereichsleiter Armaturen International bei der Klaus Union. „In der ersten Spitze werden mehr Braun- und Steinkohlekraftwerke gefördert.“ Daher werde versucht, die Emissionen – das Sorgenkind dieser Energiegewinnung – zu senken. Derzeit entwickelten Ingenieure Verfahren, um Emissionen von Kohlekraftwerken in Erdschichten zu pressen, so Blasberg weiter.
Auch in den Niederlanden zeichnet sich eine Stärkung der Energie aus Kohle ab. Ein offizieller Energiereport mahnte bereits vor Jahren an, neue Energiekapazitäten für das Küstenland zu erschließen, um einen Energieengpass zu vermeiden. Mit dem Ergebnis, dass bei Rotterdam bereits zwei neue Steinkohlekraftwerke errichtet werden. Für beide Projekte lieferte die deutsche VAG-Armaturen Absperrklappen.
Branche streckt Fühler zu den Erneuerbaren aus
Weltweit gewinnen vor allem die erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Erdwärme an Bedeutung. Allerdings müssen zunächst noch ihre Auslastung, Kapazität und Effizienz ausgebaut werden. Eine Entwicklung, die für die Armaturenbranche eine Chance ist. So knüpfte die Klaus Union bereits Kontakte zu Ingenieuren aus der Solarbranche. Auch für Armaturen in diesem Bereich sind die Anforderungen hoch. So sei das Wärmeträgeröl sehr dünnflüssig, erläutert Mike Blasberg von der Klaus Union. „Die Armaturen müssen daher nach außen sehr dicht sein.“
Erfolgreich auf dem Solarmarkt ist beispielsweise OHL Gutermuth: In den vergangenen fünf Jahren lieferte das deutsche Unternehmen Haupt-, Absperr- und Regelarmaturen für das Wärmeträgeröl bei sieben spanischen Projekten. Die Projekte Andasol 1, 2, 3; Extresol 1, 2 sowie Manchasol 1, 2 besaßen ein Volumen von jeweils zwischen einer halben und zwei Millionen Euro.
Zu einem Mammutgeschäft für Ventilhersteller könnte das angedachte Wüstenstromprojekt Desertec werden. Ziel des Projektes ist es, bis 2050 mit Erneuerbare-Energie-Kraftwerken in Nordafrika und im Nahen Osten 15 Prozent des europäischen Strombedarfs zu decken. „Wir freuen uns darauf, wenn es realisiert wird“, erklärt Wolfgang Röhrig, Geschäftsführer von OHL Gutermuth. Gelingen solche Großprojekte, emanzipieren sich spätestens dann die erneuerbaren Energien gegenüber Atommeilern. Dann käme es vermutlich tatsächlich zu einer Energiewende.
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