„Bei den deutschen LNG-Terminals haben wir Pionier-Arbeit geleistet“
„Bei den deutschen LNG-Terminals haben wir Pionier-Arbeit geleistet“
Im Januar 2023 hat die neu gegründete Deutsche Energy Terminal GmbH (DET) den Geschäftsbetrieb aufgenommen. Die bundeseigene Gesellschaft betreibt die vier staatlich angemieteten, schwimmenden LNG-Terminals (FSRU) an den Standorten Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven. Im exklusiven Interview mit dem IAD-Fachmagazin blickt DET-Geschäftsführer Dr. Peter Röttgen auf das erste Betriebsjahr der deutschen LNG-Terminals zurück und wagt außerdem einen Blick in die Zukunft.
Welche Bedeutung hat LNG für die deutsche Energiewirtschaft?
Dr. Peter Röttgen: Mit dem Wegfall der Pipeline-Lieferungen aus Russland fehlten Deutschland über die Hälfte der benötigten Energie aus Erdgas. Norwegen, Belgien und die Niederlande waren in der Lage, Teile dieser Mengen bereitzustellen, jedoch können diese Länder ihre Lieferungen nicht beliebig erhöhen. Wichtig war daher die Entscheidung der Bundesregierung, auch zusätzlich Infrastruktur für den Import von LNG aufzubauen, um die Versorgungssicherheit für Deutschland und unsere europäischen Nachbarn wieder zu gewährleisten.
Standorte der vier staatlich angemieteten, schwimmenden LNGTerminals in Deutschland (Quelle: Tom Schulze / DET).
Wie unterscheidet sich die LNG-Infrastruktur in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?
Dr. Peter Röttgen: Anders als beispielweise Spanien, Italien und die Niederlande besaß Deutschland vor dem Dezember 2022 keine Infrastruktur zum Import von Flüssigerdgas. Wir müssen also in kürzester Zeit mehrere Terminals, Netzanbindungen, die Kapazitätsvermarktung sowiedie allgemeine operative Basis entwickeln.
Welche Rolle spielt LNG im deutschen Energiewende-Konzept?
Dr. Peter Röttgen: Mit dem Ausstieg aus Kohleverstromung und Kernenergie ist Erdgas unerlässlich, solange Erneuerbare Energie in Form von Strom und alternativen Gasen die Vollversorgung noch nicht darstellt. Unsere Aufgabe ist es, zur Versorgungssicherheit und Preisstabilität für Industrie, Gewerbe und Haushalte in Deutschland und Europa. LNG-Importe stabilisieren zudem die Wirtschaft und schaffen die Grundlagen für die Transformation zur Klimaneutralität bis spätestens 2045.
Welche technischen Herausforderungen wurden während des Baus der deutschen LNG-Terminals bewältigt, und wie wurden sie gelöst?
Dr. Peter Röttgen: Sehr unterschiedlich an unseren jeweiligen Standorten, da die lokalen Gegebenheiten und auch die eingesetzten FSRU sehr individuell sind. Grundsätzlich dürfen aber alle Beteiligten in Wilhelmshaven I und II, Brunsbüttel und Stade – also bei den staatlichen FSRU-Terminals der DET – für sich in Anspruch nehmen, echte Pionier-Arbeit geleistet zu haben. Denn vor Dezember 2022 gab es – wie gesagt – keine LNG-Terminals in Deutschland. In Konsequenz musste das umfassende Know-how erst aufgebaut werden. Die DET verfügt inzwischen über ein sehr professionelles, international aufgestelltes Teams von LNG-Experten, die den bei Dritten beauftragten Terminalbau begleiten. Generell handelt es sich um Vorhaben, die nach international üblichen Standards umzusetzen sind. Herausfordernd ist vor allem die gebotene Eile unter Einhaltung hoher genehmigungsrechtlicher Rahmenbedingungen, die sich teilweise erst in der Entwicklung zeigen.
Welche Arten von Armaturen oder welche Automatisierungstechnologien kommen in einem LNG-Terminal zum im Einsatz?
Dr. Peter Röttgen: Hier geht es um sogenannte kritische Infrastruktur. Zur technischen Ausstattung können wir daher keine Auskunft geben.
Welche Unternehmen sind maßgeblich an der Entwicklung von LNG-Infrastruktur in Deutschland beteiligt?
Dr. Peter Röttgen: Maßgeblich waren beziehungsweise sind unsere Partner Uniper, RWE, Tree Energy Solutions (TES), Engie und Hanseatic Energy Hub (HEH) sowie die Hafengesellschaften N-Ports und Brunsbüttel Ports mit dem Bau der schwimmenden LNG-Terminals der DET befasst gewesen. Die Regasifizierungsschiffe selbst haben wir von den Reedereien Höegh, Energos und Excelerate gepachtet. Wesentlich sind zudem die Netzanbindungsarbeiten von Open Grid Europe (OGE) und Gasunie Deutschland sowie weiteren angebunden Gastransportunternehmen. Ebenso wichtig ist die große Zahl der Bau- und Zulieferunternehmen, Gutachter, Genehmigungsfachleute und insbesondere derer, die den Arbeitsschutz gewährleisten. Dabei ist uns bewusst, dass wir gleichermaßen einen hohen Aufwand auf behördlicher Seite haben.
Wie könnte sich die steigende Nachfrage nach LNG in Deutschland auf den globalen Energiemarkt auswirken?
Dr. Peter Röttgen: Schon vor der Krise hat sich der internationale LNG-Markt langsam zu mehr Reife entwickelt, was nun einen besonderen Schub bekommen hat, da er ein hohes Maß an Flexibilität und Diversifizierung der Lieferquellen anzubieten hat. Die gestiegene Nachfrage von Deutschland und Europa trägt dazu bei, dass Verflüssigungsanlagen entsprechend ausgelastet oder auch neu entwickelt werden. Derzeit sieht es bezüglich der Verfügbarkeit von LNG nach einer hinreichenden Marktabdeckung aus, jedoch ist dies stark davon abhängig, wie sich konkurrierende Abnahmen beispielsweise durch eine anziehende chinesische Wirtschaft entwickeln, ob sich neue Liefereinschränkungen durch den möglichen Wegfall letzter Gasmengen aus Russland ergeben oder auch härtere Winter einstellen. Dann entscheidet der Preis, ob LNG beispielweise nach Asien oder Europa geliefert wird.
Woher wird das LNG bezogen? Wie viel LNG wurde im letzten Jahr geliefert?
Dr. Peter Röttgen: Deutschland hat 2023 nach aktuellen Zahlen des BDEW rund 70 Milliarden Kilowattstunden Erdgas über LNG-Terminals importiert. Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur entspricht das sieben Prozent aller deutschen Gasimporte. Knapp 60 Milliarden Kilowattstunden allein über die Terminals der DET. Das bei DET angelandete LNG stammt maßgeblich aus den USA.
Welche Kapazitäten werden für die fertigen Terminals ab 2026 erwartet?
Dr. Peter Röttgen: Derzeit ist ein Terminal in Wilhelmshaven und eines in Brunsbüttel in Betrieb. Noch in diesem Jahr erwarten wir die Inbetriebnahme in Stade und des zweiten Terminals in Wilhelmshaven. Damit erreichen wir unsere beabsichtigten Kapazitäten für die vier staatlichen FSRUs mit etwa 17 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Unsere Terminals könnten so rein rechnerisch knapp die Hälfte aller privaten Haushalte in Deutschland mit Gas versorgen. Weshalb wir trotzdem vorsichtig sein sollten, schließlich stellt jede Branche wiederum neue Anforderungen an die Technologie. Deswegen dürfen wir jetzt nicht versuchen, die eierlegende Wollmilchsau zu erfinden. Ein MTP, das am Ende alles kann, aber hochkomplex und teuer ist, hilft niemandem weiter.
Die „Höegh Gannet“ der Reederei Höegh LNG liegt im Brunsbütteler Elbehafen (Quelle: Tom Schulze / DET).
Gibt es die Gefahr einer zukünftigen LNG-Überkapazität in Deutschland?
Dr. Peter Röttgen: Nein. Wenn der Markt weniger Erdgas beziehungsweise LNG abruft, wird auch weniger importiert. Terminals stellen Infrastruktur dar und unabhängig von der Auslastung, garantieren hinreichende Kapazitäten, dass hier kein technischer Engpass entsteht. Das Ergebnis ist Versorgungssicherheit zu stabilen Preisen. Das ist es, was wir aus der Situation 2022 nach Unterbrechung der Lieferungen über die Nord-Stream-Pipeline gelernt haben.
In vielen öffentlichen Debatten wird den gewiss wichtigen Füllständen der Erdgasspeicher die Versorgungssicherheit zugeschrieben. Dies allein reicht aber nicht. Die deutschen Speicherkapazitäten decken rund 20 % des Jahresverbrauchs. Ich denke, das ist eine beträchtliche Menge. Aber der Bau des Speichervolumens erfolgte zu einer Zeit des kontinuierlichen Zuflusses von Erdgas aus Russland und es wurde nur gebaut, was wirtschaftlich darstellbar war. Mittlerweile hat sich die Situation deutlich verändert und das zuvor hochflexible Angebot ist begrenzt. LNG-Terminals sichern insofern den Zufluss.
Warum brauchen wir so viele Terminals? Warum genügen die FSRUs nicht?
Dr. Peter Röttgen: Die Anzahl der Terminals wurde durch die Experten des Bundes sorgsam kalkuliert. Es ist geplant, dass 3 unserer 4 FSRUs 6 Monate nach Inbetriebnahme des jeweiligen landseitigen Terminals abgezogen werden. Insofern ist dann nach heutigem Wissen von lediglich 3 landseitigen Standorten an der Nordsee und einem an der Ostsee auszugehen.
Wie lange wird Deutschland auf LNG-Lieferungen angewiesen sein?
Dr. Peter Röttgen: Solange wir nicht 100 Prozent der benötigten Gase selbst fördern oder klimaneutral herstellen können, werden wir Gase aus dem Ausland per Schiff importieren müssen. Natürlich soll die Quote grauer Gase zugunsten grüner Gase systematisch und schnellstmöglich reduziert werden. Je früher der vollständige Ersatz erreicht wird, desto besser ist es für das Klima, abschließend 2045, dem Ziel der Klimaneutralität.
Ab wann könnte LNG von grünen Gasen/Wasserstoff abgelöst werden?
Dr. Peter Röttgen: Das ist eine Frage der weltweiten Innovationsdynamik in Bezug auf die Nutzung von Wasserstoff und darauf basierenden Derivaten. Wesentlich ist die Abnahme durch Kunden und wie die Energie dorthin gelangt. Es bedarf der Entwicklung von Produktions-, Transport- und Importkapazitäten, wobei auch Terminals wieder eine Rolle spielen werden, da ein signifikanter Anteil importiert werden muss. Für alle diese Schritte der Wertschöpfungskette gibt es zahlreiche Initiativen und Projekte, deren Gelingen und Zusammenwirken bestimmt, ob und wann die Ablösung des fossilen Energierohstoffes Erdgas möglich ist.
Inwiefern sind die Häfen dafür ausgerüstet? Sind alle Komponenten H2-Ready?
Dr. Peter Röttgen: Das Thema H2-ready ist im LNG-Beschleunigungsgesetz für die landseitigen Terminals als Vorgabe bereits formuliert. Der FSRU-Ansatz hat den Vorteil, dass FSRU schlicht abgezogen und durch Schiffe mit anderer Technik, beispielsweise für alternative Gase ersetzt werden können. Aber auch die Tanks der FSRUs sind zumeist schon für Ammoniak geeignet. Unabhängig davon bedarf es natürlich bei landseitigen wie auch schwimmenden Terminals einer spezifischen Suprastruktur, die für die jeweilige Commodity geeignet ist.