PTFE, eine polymere PFAS-Variante, wurde vom Bundesinstitut für Risikobewertung als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Trotzdem wäre auch dieser Stoff von einem Verbot betroffen. Wie passt das zusammen?
Steffi Lemke: Das ist eines der großen Missverständnisse in der derzeitigen PFAS-Diskussion. Das Risiko, das aus Sicht der Behörden adressiert werden muss, ist die extreme Langlebigkeit dieser Stoffe in der Umwelt gepaart damit, dass man sie nicht mehr aus der Umwelt entfernen kann. Das gilt natürlich auch für PTFE und die Stoffe, aus denen es hergestellt wird und zu denen es dann mit der Zeit zerfällt.
Gesundheitliche Risiken konnten für einige PFAS bereits eindeutig nachgewiesen werden. Für die anderen PFAS liegen zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen noch keine Daten vor. Diese für jeden oder viele dieser PFAS zu erforschen, wäre auch extrem langwierig, aufwendig und teuer. Klar ist: Alle PFAS sind extrem persistent und können nicht wieder aus der Umwelt entfernt werden, selbst wenn man dies wollte. Deshalb besteht bei PFAS großer Handlungsbedarf.
Muss es eventuell auch Ausnahmen geben? Welche könnten das sein?
Steffi Lemke: PFAS kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz. Deswegen werden diese schon im Behördendossier detailliert und einzeln betrachtet. Tatsächlich gibt es noch nicht für alle Verwendungen ausreichend verfügbare und gut funktionierende Alternativen. So scheint zum Beispiel der Einsatz von PFAS in der Schutzkleidung von Feuerwehrleuten nur schwierig ersetzbar zu sein. Hier bedarf es dann natürlich einer Ausnahme, denn die Sicherheit der Feuerwehrleute in ihren Einsätzen ist natürlich extrem wichtig. Pauschale Ausnahmen für bestimmte Produkt- oder Anwendungsgruppen, die quasi auf Zuruf anstatt auf Basis solider wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen, hielte ich hingegen nicht für hilfreich. Man sollte stattdessen differenziert vorgehen. Wo noch Zeit für die Entwicklung von PFAS-freien Alternativen notwendig ist, sollte es auch die Zeit geben, um solche Lösungen zu entwickeln. Aber es gibt ja schon heute eine Reihe von PFAS-Alternativen für bestimmte Verwendungen, von anderen Stoffen über andere Verfahren oder sonstigen Lösungen, und zwar mit zunehmender Tendenz. Ein noch besseres Bild hierzu zu bekommen ist wesentlicher Bestandteil der weiteren wissenschaftlichen Arbeiten. Somit können letztlich auch Vorteile für all die Unternehmen entstehen, die frühzeitig innovative Lösungen anbieten können.
Könnten die Hersteller, die aktuell ihre Produkte mit PFAS produzieren, mehr tun, um eine drohende Krise wegen fehlender Alternativen zu vermeiden?
Steffi Lemke: Viele Unternehmen sind ja sensibilisiert und haben bereits umgesteuert oder steuern perspektivisch um, und nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern auch weltweit. Denn die Probleme durch PFAS sind ja überall die gleichen. Somit kann es auch für Betriebe sicherlich vorteilhaft sein, ihre Produkte und Herstellungsprozesse zu überprüfen. Denn Umweltverträglichkeit wird künftig noch mehr ein Wettbewerbsvorteil sein, so dass sich eine Produktion, die frei von PFAS oder anderen umweltschädlichen Chemikalien ist, auch auf dem Markt lohnt.
Wie schätzen Sie aktuell die Verfügbarkeit von Alternativen zu PFAS für bestimmte Anwendungsbereiche ein?
Steffi Lemke: Das ist von Branche zu Branche sehr unterschiedlich und kommt auf die jeweilige Anwendung an. Die Behörden aus den fünf Staaten haben sich mit dieser Frage bereits intensiv beschäftigt. Ein noch besseres Bild hierzu zu bekommen ist aber auch zentraler Bestandteil der weiteren wissenschaftlichen Arbeiten und der intensiven europaweiten Beteiligungsprozesse, in die sich Hersteller und Anwender von PFAS einbringen können und sollen.
Inwieweit unterstützt das BMUV betroffene Unternehmen bei der Suche nach Alternativen?
Steffi Lemke: Eine Förderung für die Entwicklung von PFAS-Alternativen kann zum Beispiel über das Umweltinnovationsprogramm des BMUV beantragt werden.
Aktuell gibt es keine standardisierte Analysemethode, um Produkte mit PFAS zu ermitteln, die nach Europa importiert werden. Wie soll also ein mögliches PFASVerbot überhaupt überwacht werden?
Steffi Lemke: Die Vollziehbarkeit einer möglichen Regelung ist immer ein wichtiger Punkt im Rahmen der Entwicklung eines Stoffverbots. Deshalb sind die Vollzugsbehörden der Länder in die Diskussionen auch eng eingebunden. Die Behörden aus den fünf Staaten haben als Teil des Dossiers bereits eine lange Liste an möglichen Analysemethoden erstellt. Üblicherweise werden solche Methoden dann in einem EU-weiten Leitfaden mit festgelegt, so dass sichergestellt ist, dass der Vollzug EU-weit einheitlich erfolgt.
Das Problem ist ja nicht nur, dass PFAS immer noch in die Umwelt gelangen, sondern dass sie bereits dort sind und bleiben. Wie soll dieses Problem gelöst werden?
Steffi Lemke: Die Beseitigung und Sanierung der mit PFAS belasteten Böden und Grundwasser gestaltet sich schwierig. Herkömmliche Sanierungsverfahren funktionieren bei den PFAS schlecht. Die Sanierung ist aufgrund der besonderen Eigenschaften der PFAS kompliziert und aufwändig, um einen nennenswerten Sanierungseffekt zu erhalten. Das wiederum macht die Sanierung sehr kostspielig. Denn eine vollständige Beseitigung wäre nur in hochtemperierten Sonderabfallverbrennungsanlagen möglich. Diese Anlagen sowie Deponien, die die kontaminierten Mengen aufnehmen könnten, stehen in der benötigten Kapazität nicht zur Verfügung. Die grundsätzliche Zuständigkeit für den Vollzug der Altlastensanierung liegt bei den Ländern. Dennoch geht das BMUV das Problem PFAS gemeinsam mit den Ländern an – unter anderem durch Vollzugshilfen zur Bewertung und Sanierung sowie bei der Bewertung verhältnismäßiger, pragmatischer Sanierungsoptionen.