6. Gebot: Security ist echte, wirkliche Arbeit
Damit gibt es nun neben den technischen E-Mail-Alarmen auch die persönlichen Nutzermeldungen. In Security-Kreisen fällt in einem solchen Umfeld oft der Begriff „Alert Fatigue“: Zu viele Meldungen, die dann nicht mehr genau untersucht werden. Im Kleinen ist das häufig ein Problem der Zuständigkeit: Wird Security den Mitarbeitenden zugewiesen, die schon mit dem IT/ OT-Betrieb an der Belastungsgrenze sind, fallen einige Monate später die ersten Meldungen durch das Raster. Eine Zuweisung muss daher ernst gemeint sein und nicht nur ein formeller Punkt einer Liste. Das bedeutet, dass Ressourcen in Form von Zeit und eventuell auch Werkzeugen geschaffen werden müssen. In der sechsten Empfehlung steckt im Kern, dass es bei Security um eine echte und individuelle Tätigkeit geht!
7. Gebot: Fehlende Orientierung
Trotzdem kann die Menge an Informationen zu groß sein. Auch wenn es in diesem Artikel erst an siebter Stelle kommt, so hängt die fehlende Orientierung in der Informationsflut mit einem der ersten Schritte in einer Cybersicherheitsstrategie zusammen: der Risikobewertung. Wer in der Security nicht gänzlich von vorne anfängt, hat sie für die eigenen Assets schon geschaffen oder hat zumindest eine Vorstellung im Kopf, welche Komponenten lieber nicht ausfallen sollten. Diese hoffentlich ohnehin schon dokumentierte Liste gehört in die Hände oder wenigstens ebenfalls in den Kopf der Profis für die Bearbeitung der Meldungen. Das hilft bei der „Triage“ der Ereignisse, im Zweifel also dem gezielten Ignorieren von Meldungen, die weniger kritische Assets betreffen. Ohne eine solche Festlegung wäre es selbst mit geeigneten Tools wie einem SIEM aussichtslos, langfristig die Lage zu überblicken.
8. Gebot: Patch-Management
Ein davon etwas losgelöster Aspekt, dem ich in realen Kundenumgebungen leider immer wieder begegne, ist das Patch- Management. Updates haben immer Risiken und in Ermangelung von Testprozessen – letztendlich also Zeit – existiert oft eine Grundangst vor Update-Problemen. Die kleinen Updates
werden verschoben und nach einem Jahr ist ein Update auch wirklich eine riskante Angelegenheit, weil sich dann bei vielen Einzelschritten auf einmal auch viel ändert. Ist die Ausarbeitung einer umfangreichen Patch-Strategie noch in weiter Ferne, so sei zumindest als 8. Gebot mitgegeben, dass regelmäßige Patch-Zeitfenster deutlich überschaubarer sind als das große unbekannte „Irgendwann“. Denn in der vernetzten Welt ist tatsächlich jeder Patch sicherheitsrelevant, auch ohne eigene CVE.
9. Gebot: Existierende Werkzeuge gezielt einsetzen
So wie das Patch-Management ist auch eine zeitnahe Reaktion Bestandteil einer umfassenden Sicherheitsstrategie. Die „Orientierungshilfe zur Angriffserkennung“ des BSI verordnet dabei sehr schnelle Reaktionszeiten und erwähnt Automatisierungen. Auch wenn die Versuchung groß scheint, hier Automatisierungen bis hin zu KI zu verwenden – vielleicht auch gleich die teure Network Detection and Response (NDR), die Hersteller X anpreist – ist es hier auch sinnvoll, noch einen Blick auf die existierenden Werkzeuge zu werfen. Denn schon die ganz normale Antivieren-Software erledigt genau diese Aufgabe: Eine sofortige Reaktion auf einen erkannten Angriff! Auch ein Werbeblocker im Webbrowser kann Phishing-Seiten unmittelbar blockieren und auf vielen Firewalls ist ein ungenutztes Intrusion Prevention System (IPS) an Bord, das umfassende Fähigkeiten auf Netzwerkbasis mit sich bringt. Ähnlich zum Detektionsbereich ist das 9. Gebot also, existierende Werkzeuge zu verstehen und sie gezielt einzusetzen.
10. Gebot: Den Ernstfall proben
Womit nur noch ein letztes Gebot übrig ist, was in einer Backup- Strategie in ähnlicher Form vertraut sein sollte: Nur ein getestetes Backup ist ein echtes Backup. Genauso verhält es sich in der Reaktion: Die perfekte Reaktion auf einen Cybersicherheitsvorfall ergibt sich erst aus den Erfahrungen nach einem Vorfall. Da es nicht zielführend ist, die Katastrophe abzuwarten, um sich die Erfahrungen anzueignen, ist eine essenzielle Vorbereitung, einen Ernstfall zu proben. Ähnlich einer Brandschutzübung fühlt sich dies meist etwas unwirklich und überflüssig an, aber bei einem ernst genommenen Planspiel ergeben sich viele Fragen, die man in theoretischen Betrachtungen nicht im Blick hatte. Und natürlich deren Antworten.
Wenn Sie bis zu diesem Punkt gefolgt sind und das Planspiel mit auf sich zugeschnittenen Angriffsszenarien durchspielen, entdecken Sie die Lücken, die über die zehn Gebote hinausgehen. Hier lohnt es sich dann wirklich, zu investieren – und eben nicht unbedingt immer an den von den Papiertigern der Normen und Gesetze empfohlenen Stellen.