Fünf regionale Wasserstoff-Cluster, die Sie kennen sollten

Deutschland wird Wasserstoffrepublik: Laut H2-Digital.com sind bundesweit 266 Projekte in Planung (Quelle: Vulkan Verlag)

Regionale H2-Cluster spielen eine Schlüsselrolle beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Sie fördern die industrielle Transformation, stärken die Resilienz des Energiesystems und schaffen lokale Wertschöpfung. Für Hersteller von h2-ready Industriearmaturen, Dichtungen und Ventilen bieten diese Cluster eine große Chancen: Sie können ihre Produkte in realen Anwendungen erproben, skalieren und passgenaue Geschäftsmodelle entwickeln. Die Cluster dienen zudem als Keimzellen für die Defossilisierung verschiedener Sektoren und ermöglichen den Aufbau inländischer Wertschöpfungsketten. So tragen sie maßgeblich zur Erreichung der Ziele der Nationalen Wasserstoffstrategie bei. Klingt abstrakt? Hier sind 5 wichtige H2-Cluster, die Sie kennen sollten.

Norddeutschland: eFarm Nordfriesland

eFarm Nordfriesland, gestartet im Dezember 2018, ist ein Vorzeigeprojekt für regionale Wasserstoffcluster in Deutschland. Unter der Leitung der GP JOULE GmbH vereint es über 20 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft. Das Projekt nutzt die in der Region reichlich vorhandene Windenergie zur Produktion von grünem Wasserstoff und schafft damit eine vollständige, lokale Wertschöpfungskette.

Kernstück des Projekts sind fünf Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von 2,5 Megawatt, die an verschiedenen Standorten in Nordfriesland und Dithmarschen installiert sind. Der produzierte Wasserstoff wird über ein regionales Pipelinesystem zu zwei Wasserstofftankstellen transportiert. Dort versorgt er eine Flotte von zunächst 5, später bis zu 60 Brennstoffzellen-LKW sowie Busse im öffentlichen Nahverkehr.

Die „eFarm“ erzeugt aus Wind- und Solarkraft Wasserstoff für den ÖPNV und Wärmemarkt in Nordfriesland. Dabei kommen Elektrolyseure des Augsburger Herstellers H-Tec Systems zum Einsatz (Quelle: H-Tec Systems)

Für Armaturenhersteller bietet eFarm spannende Möglichkeiten. Die verschiedenen Anlagenkomponenten – von Elektrolyseuren über Verdichter und Speicher bis hin zu Tankstellen – benötigen eine Vielzahl spezialisierter Armaturen, die den Anforderungen von Wasserstoffanwendungen gerecht werden müssen. Dazu gehören Hochdruckventile, Sicherheitsventile und Dichtungssysteme, die mit den besonderen Eigenschaften von Wasserstoff kompatibel sind.

eFarm demonstriert nicht nur die technische Machbarkeit einer regionalen Wasserstoffwirtschaft, sondern auch deren ökonomisches Potenzial. Es schafft lokale Arbeitsplätze, stärkt die regionale Wertschöpfung und trägt zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors bei. Als Pioniervorhaben liefert es zudem Erkenntnisse für den weiteren Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland.

Ende 2025 soll der kommerzielle Betrieb im EBL beginnen (Quelle: Energiepark Bad Lauchstädt)

Ostdeutschland: Energiepark Bad Lauchstädt

Der Energiepark Bad Lauchstädt, gestartet 2019, ist ein wegweisendes Projekt für die Integration von grünem Wasserstoff in das Energiesystem. Unter Federführung der VNG AG vereint es Partner wie Uniper, DBI, Terrawatt und ONTRAS Gastransport GmbH. Das Projekt deckt die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette ab: Ein Windpark mit 40 MW Leistung treibt einen Elektrolyseur an, der jährlich bis zu 1200 Tonnen grünen Wasserstoff produziert. Dieser wird in einer unterirdischen Kaverne gespeichert - ein Novum in dieser Größenordnung für Deutschland.

Die Nutzung des Wasserstoffs ist vielfältig: Er wird in das bestehende Erdgasnetz eingespeist, in der chemischen Industrie im nahegelegenen Leuna verwendet und soll perspektivisch auch für die Mobilität zur Verfügung stehen. Netzbetreiber ONTRAS plant, eine 20 km lange Wasserstoff-Pipeline zu errichten, die den Energiepark mit dem Chemiestandort Leuna verbindet. Hier ist der Raffinerie-Betreiber Total Energies ein Großabnehmer des grünen Wasserstoffs aus Leuna. Bei dem Liefervertrag handelt es sich um einen der ersten langfristigen Abnahmeverträge zwischen einem H2-Produzenten und einem industriellen Kunden überhaupt.

Ein Hauptmerkmal des Energieparks Bad Lauchstädt ist die Wasserstoffspeicherung: Das Projekt nutzt eine bestehende Salzkaverne, die bisher zur Erdgasspeicherung diente, um große Mengen grünen Wasserstoffs zu speichern. Mit einem Volumen von etwa 50 Millionen Kubikmetern ist dies eine der größten geplanten Wasserstoffspeicheranlagen in Europa.

Die Kaverne ermöglicht es, Schwankungen in der Produktion aus erneuerbaren Energien auszugleichen und eine konstante Versorgung der Abnehmer sicherzustellen. Die Speicherung wird wissenschaftlich begleitet, um wichtige Erkenntnisse über das Verhalten von Wasserstoff unter Hochdruckbedingungen und die Integrität der Kavernenstruktur zu gewinnen. Das Speicherkonzept könnte als Blaupause für ähnliche Projekte in ganz Deutschland dienen.

Lesen Sie hier ein exklusives Interview mit zwei Vordenkern des Projekts.

Ende August gab der Aufsichtsrat der Stadtwerke Stuttgart grünes Licht: Im „Green Hydrogen Hub Stuttgart", der einen Teil von H2 GeNeSiS bildet, sollen vier Elektrolyseure ab 2026 jährlich bis zu 1.000 Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen. (Quelle: Hafen Stuttgart GmbH)

Süddeutschland: H2 GeNeSiS Stuttgart

Das Projekt GeNeSiS (Ganzheitliches Energiemanagement-System in Stuttgart) stellt einen Ansatz zur Integration von Wasserstofftechnologien in urbane Energiesysteme dar. Initiiert im Jahr 2022, zielt das Vorhaben auf die Implementierung eines sektorenübergreifenden Energiemanagements im Stuttgarter Hafen und angrenzenden Gebieten.

Kernstück des Projekts sind vier Elektrolyseure, die überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen zur Produktion von grünem Wasserstoff nutzt. Die Anlage soll eine Kapazität von etwa 10 MW besitzen damit rund 1.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr erzeugen. Der Wasserstoff wird lokal gespeichert und vielfältig genutzt: Ein Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerk mit 400 kW elektrischer und 500 kW thermischer Leistung dient der Rückverstromung und Wärmeerzeugung. Zudem versorgt eine Wasserstofftankstelle Brennstoffzellenbusse und -LKW.

Das Projektkonsortium umfasst die Stuttgarter Straßenbahnen AG, Netze BW, das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und weitere Partner. Sie erproben die technische und wirtschaftliche Machbarkeit eines integrierten Wasserstoff-basierten Energiesystems im städtischen Kontext.

Ein zentrales Element des GeNeSiS-Projekts ist der Bau einer etwa 5 Kilometer langen Wasserstoff-Pipeline, die den Stuttgarter Hafen mit dem Stadtteil Bad Cannstatt verbindet. Diese Pipeline, die von der Netze BW geplant und realisiert wird, ermöglicht den effizienten Transport des produzierten Wasserstoffs zu verschiedenen Verbrauchsstellen im Stadtgebiet und stellt somit eine wichtige Infrastrukturkomponente für die lokale Wasserstoffverteilung dar. GeNeSiS soll Erkenntnisse zur Skalierbarkeit und Übertragbarkeit von Wasserstofftechnologien in urbanen Räumen liefern und so zur Entwicklung neuer Energiekonzepte für Städte beitragen.

Blick auf das MHKW in Frankfurt am Main (Quelle: Mainova)

Mitteldeutschland: H2-Region Rhein-Main

Auch das Projekt "H2-Region Rhein-Main" in Hessen stellt ein Konzept für ein regionales Wasserstoff-Ökosystem dar. Unter Federführung des Regionalverbands FrankfurtRheinMain vereint es Partner wie Mainova AG, Infraserv GmbH & Co. Höchst KG und zahlreiche Kommunen.

Ein Kernaspekt des Projekts ist die Integration des Müllheizkraftwerks (MHKW) der Mainova in Frankfurt-Nordweststadt. In einer deutschlandweit einzigartigen Konfiguration soll hier überschüssiger Strom aus der Müllverbrennung zur Produktion von grünem Wasserstoff genutzt werden. Ein Elektrolyseur mit einer geplanten Leistung von 5 MW soll dabei jährlich bis zu 500 Tonnen Wasserstoff erzeugen. Die Wertschöpfungskette umfasst neben der Erzeugung auch Verteilung und Nutzung. Geplant ist ein regionales Wasserstoff-Pipelinenetz, das beispielsweise den Industriepark Höchst als großen Abnehmer einbindet. Im Mobilitätssektor sollen Busse, Züge und LKW mit Wasserstoff betrieben werden.

Auch ein Wasserstoffnetz ist in der Region geplant: Es soll eine Gesamtlänge von etwa 300 km erreichen und die Metropolregion durch mehrere Anschlüsse mit dem nationalen Wasserstoff-Kernnetz verbinden. Die ersten Teilabschnitte sollen voraussichtlich ab 2028 in Betrieb gehen, wobei das Initialnetz bis 2032 neu errichtet wird. Anschließend ist eine Umwidmung bestehender Erdgasleitungen geplant. Und das nicht ohne Grund: Für die Region wird ein steigender Wasserstoffbedarf prognostiziert: von etwa 5 TWh jährlich im Jahr 2030 auf rund 24 TWh bis 2045. Die erwarteten Investitionskosten bis 2040 belaufen sich auf etwa 610 Millionen Euro, wofür Förder- und Finanzierungsprogramme aus öffentlichen und privaten Quellen als notwendig erachtet werden.

© Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epae

Am Brainergy Park Jülich befindet sich einer der größten Solarparks in Nordrhein-Westfalen. Mit dem hier produzierten Strom will der Kreis Düren grünen Wasserstoff herstellen (Quelle: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epae)

Westdeutschland: H2-Modellregion Düren

Die H2-Modellregion Düren im Westen Nordrhein-Westfalens wurde durch den Kreis Düren und verschiedene lokale Partner initiiert und zielt darauf ab, die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette in der Region abzubilden.

Wieder ist ein Kernaspekt die Produktion von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse aus Solar- und WIndkraft. Der geplante Elektrolyseur soll auf dem Gelände des Brainergy Parks durch die Unternehmen NEUMAN & ESSER und Messer Industriegase in Jülich errichtet werden. Mit einer Anfangsleistung von 5 MW, die später auf 20 MW ausgebaut werden soll, bildet die Anlage das Herzstück der regionalen Wasserstoffproduktion bilden.

Das Forschungszentrum Jülich spielt eine zentrale Rolle in der H2-Modellregion. Als eines der größten Forschungszentren Europas bringt es umfangreiche Expertise in der Wasserstofftechnologie ein. Das Zentrum arbeitet an verschiedenen Aspekten der Wasserstoffforschung, von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung, und unterfüttert die praktische Umsetzung des Projekts so mit wissenschaftlicher Kompetenz.

Zu den beteiligten Unternehmen gehören die Rurenergie GmbH, ein regionaler Energieversorger, der die Wasserstoffproduktion und -verteilung koordiniert, sowie die Dürener Kreisbahn, die den Einsatz von Wasserstoffbussen im ÖPNV plant - darunter auch bei Zügen. Auch die RWE Power AG ist involviert und bringt ihre Erfahrung in der Energieerzeugung und -verteilung ein.

Die Nutzung des produzierten Wasserstoffs ist vielfältig angelegt: Im Mobilitätssektor sollen Busse des öffentlichen Nahverkehrs und Müllfahrzeuge auf Wasserstoffantrieb umgestellt werden. Zudem ist die Einbindung lokaler Industriebetriebe vorgesehen, um fossile Brennstoffe in industriellen Prozessen durch Wasserstoff zu ersetzen.

Fazit

Alle fünf H2-Cluster bieten Herstellern von Industriearmaturen und Dichtungen vielfältige Chancen. Jedes Projekt erfordert spezifische Lösungen, von Hochdruckventilen bis hin zu speziellen Dichtungssystemen. H2-Cluster bieten die Chance, Produkte in verschiedenen Anwendungsbereichen zu erproben. Gleichzeitig schaffen sie eine Nachfrage für wasserstofftaugliche Produkte.

Die Zusammenarbeit mit Forschung und Industrie eröffnet Armaturenbauern hier Chancen für die gemeinsame Entwicklung. Für die Branche bedeutet dies die Positionierung in einem zukunftsträchtigen Markt. Die H2-Cluster zeigen: Hersteller von Industriearmaturen und Dichtungen können in der entstehenden Wasserstoffinfrastruktur eine Schlüsselrolle einnehmen.

Wenn Sie mehr über das Thema erfahren wollen, besuchen Sie die Vale World 2024 in Düsseldorf. Die Produktion von Wasserstoff ist hier eines der Hauptthemen.