H₂-ready-Kraftwerke: Der Schlüssel zur klimaneutralen Energieversorgung

Ende Februar 2024 fand der Spatenstich am Kraftwerk Heilbronn zum dritten „Fuel-Switch“ Projekt statt. Eine wasserstofftaugliche Gas- und Dampfturbinenanlage soll den kohlebetriebenen Block des dortigen Heizkraftwerks ersetzen. (Quelle: EnBW)

Deutschland soll bis 2045 ein klimaneutrales Industrieland werden. Diese Energiewende bringt große Herausforderungen mit sich. Das gesamte Energiesystem muss transformiert werden, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Dabei sind vor allem Backup-Systeme für Zeiten geringer erneuerbarer Energieproduktion, die Gewährleistung der Versorgungssicherheit während der Umstellung und die mit der Transformation verbundenen Investitionskosten relevant. H₂-ready-Kraftwerke könnten einen Lösungsansatz bieten, der Gasinfrastruktur, Versorgungssicherheit und Klimaschutz intelligent verknüpft. Wie funktioniert diese Technologie und welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind für sie von Bedeutung?

 Hintergrund: Die Entstehung der Kraftwerksstrategie

Die deutsche Energiepolitik durchläuft seit Jahren einen tiefgreifenden Transformationsprozess. Nach dem Atomausstieg und dem Kohleausstieg rückten alternative Energieträger und flexible Kraftwerkslösungen in den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen. Die Kraftwerksstrategie entstand als Antwort auf die Herausforderungen der Energiewende. Anfang Februar 2024 hat sich die Bundesregierung auf einen Entwurf der Strategie geeinigt. Sie soll Anreize für den Neubau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken schaffen. Insgesamt sollen 12,5 Gigawatt an Kraftwerkskapazität inklusive zwei Gigawatt für umfassende Modernisierungen bestehender Gaskraftwerke ausgeschrieben werden. Außerdem sind auch Langzeitstromspeicher geplant. Zwischen 2035 und 2040 sollen diese dann vollständig auf den vollständigen Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden.

Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung (Quelle: BMWK)

Kernziele der Kraftwerksstrategie sind:

Sicherstellung der Energieversorgungssicherheit

Dekarbonisierung des Stromsektors

Schaffung flexibler Backup-Kapazitäten

Integration erneuerbarer Energien

Finanziert werden sollen die neuen Kraftwerke mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Wie es aus Koalitionskreisen hieß, liegen die Kosten bei ungefähr 16 Milliarden Euro für die nächsten rund 20 Jahre.

Die Umsetzung der Kraftwerksstrategie regelt ein neues Kraftwerkssicherheitsgesetz.

Umstellung eines Kraftwerks von Kohle über Erdgas zu Wasserstoff (Quelle: EnBW)

H₂-ready-Kraftwerke

H₂-ready-Kraftwerke sind moderne Gaskraftwerke, die so konzipiert werden, dass sie sowohl mit Erdgas als auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Diese Technologie soll einen schrittweisen Übergang zur klimaneutralen Energieversorgung ermöglichen.

Die Umrüstung traditioneller Gaskraftwerke erfordert mehrere technische Anpassungen, da Wasserstoff und Erdgas (das hauptsächlich aus Methan besteht) sich ganz unterschiedlich verhalten. Wasserstoff hat beispielsweise andere Verbrennungseigenschaften, Flammengeschwindigkeit und Selbstentzündungsverzögerungszeit.

Deshalb sind Modifikation der Brennkammern und Anpassung der Turbinentechnologie notwendig. Außerdem müssen spezielle Wasserstoff-Armaturen installiert werden und alle verwendeten Materialien müssen für den Einsatz von Wasserstoff kompatibel sein.

Vorteile von H₂-ready-Kraftwerken:

Flexibilität: Nutzung verschiedener Energieträger

Netzstabilität: Backup-Funktion für volatile erneuerbare Energien

Infrastrukturerhalt: Weitnutzung bestehender Gasinfrastruktur

Das Gaskraftwerk Süd in Leipzig ist H₂-ready (Quelle: Stadtwerke Leipzig)

Umstellung und Wasserstoff-Beimischung

Die Umstellung von 100 Prozent Erdgas auf 100 Prozent Wasserstoff erfolgt in der Regel in mehreren Schritten. Meist wird zunächst Wasserstoff nur anteilig eingespeist. Die Einspeisung wird in verschiedenen Stufen eingeteilt:

Geringe Beimischung (bis 10 Prozent): Dafür sind keine wesentlichen Umbauten erforderlich. Es erfordert nur geringe Investitionskosten bei sofortiger CO2-Reduktion.
Mittlere Beimischung (10-30 Prozent): Dafür sind moderate technische Anpassungen nötig, die dann aber eine signifikante Emissionsreduktion ermöglichen.
Hochbeimischung (30-50 Prozent): Dieser Schritt dient als Vorbereitung auf die Vollumstellung. Es sind also bedeutende technische Umrüstungen von Nöten.
100 Prozent Wasserstoffbetrieb: Dieser erfordert eine vollständige Kraftwerksumrüstung, bietet dann aber eine Zukunftsfähige Energieinfrastruktur und sorgt für eine komplette Dekarbonisierung des Betriebs.

Standorte

Die neuen Kraftwerke sollen an sogenannten „systemdienlichen“ Standorten entstehen. Also dort, wo aktuell viele Eingriffe zur Stabilisierung der Stromnetze nötig sind, was „überwiegend“ im Süden Deutschlands der Fall ist. Ohne entsprechende Anreize der Bundesregierung wäre allerdings zu erwarten, dass die neuen Gaskraftwerke verstärkt in den nördlichen und östlichen Bundesländern entstehen, wo Wasserstoff früher oder kostengünstiger zu beziehen sein dürfte.

Bisher wurden bereits einige H₂-ready-Gaskraftwerke angekündigt. Unter anderem in:

Werne (NRW)

Dem Industriepark Schwarze Pumpe (Brandenburg)

Gelsenkirchen (NRW)

Der Ingelheimer Aue in Mainz

Heilbronn (Baden-Württemberg)

Bonn (NRW)

Hamm (NRW)

In Leipzig ist im Oktober 2023 das erste Gasturbinenkraftwerk, das Strom und Wärme zu hundert Prozent aus Wasserstoff erzeugen kann, in Betrieb gegangen. Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist es eines der emissionsärmsten Gasturbinenkraftwerke weltweit. Das Herzstück des neuen Gaskraftwerks sind zwei Gasturbinen mit insgesamt 125 Megawatt elektrischer Leistung. Diese sind schon jetzt dazu fähig, hohe Anteile von grünem Wasserstoff zu verbrennen. 

Kraftwerkssicherheitsgesetz: Rechtlicher Rahmen

Das Kraftwerkssicherheitsgesetz bildet die gesetzliche Grundlage für den Umbau und die Modernisierung der deutschen Kraftwerkslandschaft. Es definiert:

Sicherheitsstandards für neue Kraftwerkstypen

Anforderungen an die Netzstabilität

Rahmenbedingungen für den Einsatz alternativer Energieträger

Übergangszeiträume für bestehende Kraftwerksinfrastrukturen

Das erste Konsultationsdokument enthält zudem die geplanten Rahmenbedingungen der Ausschreibungen für 0,5 GW Wasserstoffsprinterkraftwerke, die direkt mit Wasserstoff betrieben werden sollen, und Langzeitstromspeicher.

Das zweite Konsultationsdokument beschreibt die Eckpunkte eines vorgezogenen Kapazitätsmechanismus. Mit der Maßnahme sollen weitere 5 GW Kraftwerkskapazität ausgeschrieben werden. Mit technischen Anforderungen an einen flexiblen und robusten Anlagenbetrieb sollen die Anlagen gleichzeitig einen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes leisten.

Fazit: Eine Brückentechnologie mit Potenzial

H₂-ready-Kraftwerke stellen einen wichtigen Baustein der Energiewende dar. Sie verbinden Versorgungssicherheit mit Klimaschutzzielen und bieten eine schrittweise Umstellung auf dem Weg zur Dekarbonisierung des deutsche Energiesystems. Außerdem bieten die H₂-ready-Gaskraftwerke auch Chancen für die deutsche Industrie und Armaturen- und Dichtungshersteller. Denn während alte Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, wurden neue H₂-ready-Kraftwerke ausgeschrieben.