Ventile mit großen Nennweiten fordern die Ingenieure beim Prototypenbau besonders heraus. Ihre Herstellung und Tests auf dem Prüfstand sind sehr aufwändig. Und das unter einem Zeitdruck, der keine allzu großen Verzögerungen zulässt. Doch mittlerweile kommt Tempo ins Spiel. Eine Strömungssimulation macht es möglich: Ventile mit größeren Nennweiten zu konstruieren und zu produzieren, ist heute weitaus schneller und leichter möglich.
Analyse des Strömungsverhaltens
Was beispielsweise Ebro freut. Der Hersteller von Industriearmaturen, Antrieben und Automatisierungstechnik verwendet FEM-Berechnungen zur Optimierung seiner Armaturenkomponenten bei der Festigkeit und Funktionalität. „Zuvor wurden die Armaturenkomponenten durch Festigkeitsberechnungen nach anerkannten Regelwerken oder Stand der Technik berechnet“, sagt Konstruktionsleiter Andreas Kohlscheen. Dies erfolgte etwa mittels Hilfsprogrammen wie Excel oder Mathcad.
Mittlerweile halten außerdem CFD-Programme zur Analyse des Strömungsverhaltens Einzug. Sie ermöglichen die Optimierung des Strömungsverhaltens, die Steigerung des Durchflussverhaltens bzw. Steigerung und Ermittlung des Kv-Wertes der Armatur. Bei dem Kv-Wert handelt es sich um den Durchflussfaktor.
Ohne Prototypenbau
Um den Wert von Simulationen weiß auch das Unternehmen Mankenberg. „Mit 3D-Simulationen sind kostengünstige Vorabuntersuchungen ohne den Bau von Prototypen und Prüfstandsmessungen möglich“, erläutert Michael Schröter, Technischer Leiter bei Mankenberg. Hierdurch könne der Entwicklungsprozess wesentlich beschleunigt werden. „Eine neue Konstruktion kann so in einem wesentlich früheren Stadium beurteilt werden.“
Die Gründe, warum Armaturenhersteller zunehmend bei Simulationen zugreifen, sind vielfältig. Sie bewirken „ein besseres Verständnis bei der Erklärung und Abstimmung mit Kunden und Projektpartnern“, berichtet Werner Hartmann, Leiter Verkauf bei Hartmann Valves. Komplexe Bauteile sind in 3D klarer und übersichtlicher darstellbar als in 2D. Fehler werden durch diese bessere Übersichtlichkeit vermieden. Konstruktionsdaten (CAD) werden in Fertigungsprogramme (CAM) übernommen. Der Programmieraufwand an den Maschinen wird dadurch erheblich reduziert.
Randbedingungen erfassen
Schnelle und klare Ergebnisse durch Simulationen erfreuen die Armaturenunternehmen. Doch wie gelangen sie zu diesen Resultaten? Zunächst wird ein 3D-Modell erstellt, zum Beispiel von einer Klappenscheibe in einem 3D-CAD-Programm. Anschließend wird die Umgebung eingebunden, um die Randbedingungen wie Gehäuse, Welle und Sitz zu fixieren. „Für dieses Bauteil werden nun alle Bedingungen erfasst, wie zum Beispiel Druck, Temperatur, Lagerung und äußere zusätzliche Lasten wie Schwerkraft, Drehmoment sowie Axialkräfte“, erläutert Andreas Kohlscheen von Ebro. „Unter Berücksichtigung der korrekten Randbedingungen und Lasten wird das Modell hinsichtlich ausreichender Festigkeit und Verformungsverhalten in einem FEM-Programm analysiert“, so Kohlscheen weiter. Gibt es nach dem ersten Durchlauf noch Optimierungsbedarf, wird das Modell neu modelliert und der bereits beschriebene Prozess wiederholt. Hierzu bieten moderne Simulationsprogramme Unterstützungen. „Erfüllt das Modell nun alle Bedingungen zur Festigkeit, erfolgt die Ermittlung des Kv-Wertes bei verschiedenen Öffnungswinkeln, um das Strömungsverhalten der Klappe für spätere Einsätze zu simulieren.“
Attraktiv bei ständigem Geometriewechsel
Bei der praktischen Umsetzung einer Strömungssimulation wird die Geometrie zunächst für die Simulation vereinfacht und daraus der Strömungskörper definiert. Im Anschluss werden, wie gesagt, die Randbedingungen festgelegt. „Mit diesen Daten wird die Simulation auf einem eigenen Solver gestartet und ausgewertet“, sagt Michael Schröter von Mankenberg. Der Trend gehe allerdings immer stärker zu cloudbasierten Lösungen. „Die notwendigen Lizenzen werden dabei nur noch gemietet und auf Servern des Software-Anbieters zur Verfügung gestellt.“
Attraktiv ist der Einsatz von Simulationen aus Sicht von Werner Hartmann von Hartmann Valves bei ständig variierenden Geometrien, um sich den speziellen Kundenwünschen anzupassen. „Bei Sonderanfertigungen ist die 3D-Konstruktion besonders lohnenswert.“ Die von Hartmann Valves durchgeführten Analysen seien kaum übertragbar, da mit jedem Bauteil Geometrie oder Werkstoff variieren. „Es werden werkstoffunabhängige kinematische sowie Spannungs- und Verformungsanalysen, bei denen die Werkstoffparameter einen entscheidenden Einfluss haben, durchgeführt“, so Hartmann.
Ersparnis bei Entwicklung und Kosten
Die Ergebnisse der Simulation beeindrucken – ob bei Strukturmechanik/Dynamik, Temperaturfeldberechnungen oder Strömungen. „Am Ende aller erfolgreichen Simulationen steht die tatsächliche Herstellung des Bauteils mit einer sehr hohen Gewissheit, dass es funktionstüchtig ist“, bilanziert Andreas Kohlscheen von Ebro. Gerade bei aufwändig herstellbaren Teilen, bei denen die Fertigung teuer und langfristig sei, lohne der Aufwand der vorherigen Simulation, um im Resultat Kosten durch wiederholtes Ändern und Optimieren am fertigen Bauteil zu vermeiden.
Entwicklungszeiten und Kosten werden durch Simulationen eingespart. „Es wird kein Strömungslabor mit zeitaufwändiger Terminabsprache, Musterfertigung und Versuchsaufbau mehr benötigt“, betont Andreas Radius, Berechnungsingenieur bei Ebro. Die Ergebnisse lägen je nach virtueller Netz- und Modellqualität durchaus im Toleranzbereich, der auch für die reale Messung im Strömungslabor vergleichbar wäre.
Vorschläge zur Optimierung
Im Bereich der Strukturmechanik lassen sich ähnliche Synergieeffekte nachweisen, wie beispielsweise das Einsparen weiterer Musterfertigungen, um aufgedeckte mechanische Schwachstellen auszumerzen. „Auch ist die Software zunehmend in der Lage, durch Topologieoptimierungen Schwachstellen selbstständig aufzudecken und Optimierungsvorschläge zu machen“, erklärt Andreas Radius.
Die Kosten steigen natürlich auch mit den Anforderungen an die Simulation. „Je genauer die Simulation die Realität treffen soll, umso teurer und aufwändiger die Prozesse“, ergänzt Kohlscheen. Es gibt heute bereits einfache Simulationsprogramme, die mit dem 3D-CAD-Programm als Add On geliefert werden. „Hier kann man schon sehr gute Ergebnisse erzielen.“
Mehrere Tools in einem Paket
Werkstoffunabhängige Simulationen in der Strukturmechanik können dagegen lediglich die vorhandenen Bauteilspannungen im Linearbereich widerspiegeln. „Für das Ermitteln von Verformungen, Temperaturverlauf und der Ergebnisbewertung sind spezielle werkstoffabhängige Kennwerte wie E-Modul, Wärmeleitzahl und Zugfestigkeit bzw. Streckgrenze erforderlich“, sagt Ebro-Berechnungsingenieur Radius.
Abhängig vom Softwareanbieter sind die angebotenen Lösungen standardisiert. „Dabei werden entsprechende Tools immer häufiger in Paketen zum Beispiel mit 3D-CAD-Software angeboten“, berichtet Schröder von Mankenberg. Ein Erfolgsprodukt: „In den vergangenen Jahren hat sich die 3D-Simulation zu einem Standardwerkzeug entwickelt. Diese ist Voraussetzung für eine schnelle und wettbewerbsfähige Entwicklung neuer Produkte.“ Dennoch gelte derzeit noch: Die notwendigen Ausgaben für Soft- und Hardware seien „sehr hoch“. Außerdem kämen erhebliche Kosten für die Personalschulung hinzu – plus regelmäßige Nachschulung. Zumal unterschiedliche 3D-Tools oftmals verschiedene Fachleute benötigen.
Studium und Schulung
Denn die rechnergestützten, modell- und algorithmenbasierten Simulationen fordern auch die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter heraus. Es werden Grundkenntnisse der 3D-Konstruktion, wie zum Beispiel mit dem Autodesk Inventor, benötigt. „Für ein möglichst realitätsnahes Ergebnis ist darauf aufbauend ‚ingenieurtechnisches Denken‘ zum richtigen Erfassen und Modellieren des technischen Problems im 3D sowie dem sinnvollen Definieren der Lasten und Randbedingungen gefragt“, erläutert Andreas Radius von Ebro. Schlussendlich gehören natürlich detaillierte Kenntnisse der zum Einsatz kommenden Software zur Grundvoraussetzung. Während das ingenieurstechnische Denken Bestandteil der allgemeinen Grundausbildung des Ingenieurstudiums ist, sind die Grundkenntnisse der 3D-Konstruktion und Detailkenntnisse der Software maßgeblich von der zum Einsatz kommenden Software abhängig „und bedürfen grundsätzlich der Anwendung von Schulungsmaßnahmen durch den jeweiligen Softwareanbieter des gewählten Simulationsprodukts.“
Trend zu Multiphysics
Aus Sicht von Hartmann Valves steht außer Frage, dass eine Schulung zu den verwendeten Programmen nötig ist. „Mittlerweile ist auch in der Ausbildung zum technischen Zeichner die Verwendung von 3D-Programmen ein Standard“, sagt Verkaufsleiter Werner Hartmann. Gerade bei komplexen Simulationen ist das Datenaufkommen sehr groß und eine entsprechende Rechenleistung muss zur Verfügung stehen.
Die Entwicklung von Simulationen ist aber noch längst nicht an ihr Ende gelangt. So zeichnet sich bereits ein Trend zu Multiphysics ab. Sie verfügen über mehrere 3D-Simulationstools in einem Software-Paket. „Ein Vorteil ist, dass Programmteile, wie zum Beispiel der Vernetzer, gemeinsam benutzt werden können“, erläutert Michael Schröter von Mankenberg. Darüber hinaus würden Schnittstellenprobleme auf ein Minimum reduziert.
3D-Druck statt Musterfertigung
Als wichtigen Trend sieht Andreas Radius, Berechnungsingenieur von Ebro, 3D-Druck/Prototyping. „Hier erhält der Anwender schon vorab ein nicht virtuelles Muster zum Anfassen und Bewerten.“ Der große Vorteil liege im Einsparen von Fertigungskosten und -zeit gegenüber konventioneller Musterfertigung.
Die Zeit arbeitet für 3D-Simulationen. Es gebe bereits jetzt den Trend, dass der Funktionsumfang von 2D-Programmen reduziert wird. „Dies erzwingt seitens der Hersteller langfristig einen Umstieg“, prognostiziert Werner Hartmann. Darüber hinaus böten 3D-Simulationen viele Vorteile „und werden sich daher als Standard etablieren.“
Verheißungsvolle Perspektive
3D-Simulationen als Standard – davon ist auch Ebro überzeugt. „Der zunehmende Konkurrenzdruck zieht immer komplexere Material- und Geometrieoptimierungen nach sich, die mit herkömmlichen Berechnungsmethoden kaum noch beherrschbar sind“, sagt Berechnungsingenieur Radius. Zudem seien die Hardware- und Softwareangebote auch für mittelständische und Kleinunternehmen zwischenzeitlich lukrativer und die Bedienbarkeit der Software zunehmend intuitiver geworden. Mittlerweile gebe es auch schon Open Source- Lösungen, die die kommerziellen Anbieter mehr und mehr unter Preisdruck setzten.
Die Zukunft gehört also dem Simulationsverfahren. Auch der deutsche Wissenschaftsrat unterstreicht diese Entwicklung und sieht die Simulation als Erkenntnisinstrument, das sich mit einer hohen Dynamik entfaltet. Eine verheißungsvolle Perspektive für die Armaturenhersteller.
Die No.1 Messe für Industriearmaturen, Valve World Expo 2018 mit begleitender Konferenz, findet vom 27. bis 29. November 2018 auf dem Düsseldorfer Messegelände statt.